Was jenseits der Schwelle liegt
Ein Gespräch über Tradition und Aufbruch mit Geschäftsführerin Gabriele Siedle und Eberhard Meurer, der in mehr als drei Jahrzehnten als Designchef das Gesicht der Marke prägte. Seit 2013 ist er im Ruhestand.
Frau Siedle, was verbinden Sie mit dem Begriff „Schwelle“?

Gabriele Siedle: Die Schwelle trennt und verbindet zugleich, das macht sie so spannend. Ob sie empfängt oder abweist, hängt davon ab, wer sich zu erkennen gibt. Ein schönes Bild für das, was Siedle am Eingang tut.

Sie sind ein Unternehmen mit langer Tradition. Was liegt bei Siedle jenseits der Schwelle?

Gabriele Siedle: Im Moment verändern wir die Definition der Schwelle selbst. Sie ist heute da, wo Sie sie haben wollen, zum Beispiel unterwegs auf dem Handy oder auf dem Büro-Computer. Siedle wird so innovativ bleiben wie eh und je. Übrigens nicht nur in der Produktwelt: Sie sprechen mit der ersten Frau in der Unternehmensführung seit 259 Jahren, und die folgende Generation wird zum ersten Mal nicht den Namen Siedle tragen. Jenseits der Schwelle warten spannende Zeiten.

Inwieweit haben sich die Anforderungen an Gebäudekommunikation verändert? Sprechen Bauwerke heute eine andere Sprache als früher?

Eberhard Meurer: Zumindest schafft die Technik die Möglichkeiten dafür. Nehmen Sie nur den direkten Blick auf den Eingang, den heute die Videoüberwachung übernimmt. Biometrische und elektronische Zutrittskontrollsysteme identifizieren Besucher und gewähren Zugang. Briefkästen nehmen Pakete an, wenn die Bewohner nicht da sind. Der Eingang wird intelligenter, und Architekten gewinnen immer mehr Freiheiten, ihn zu gestalten.

Gabriele Siedle: Schade nur, dass sie diese Freiheit nicht immer richtig nutzen. Der Eingang wird in der zeitgenössischen Architektur oft vernachlässigt.

Eberhard Meurer: Die wichtige Funktion der Repräsentation und des angemessenen Empfangs scheint in Vergessenheit zu geraten. Früher kannten Bauherren und Baumeister die Bedeutung des Eingangs und gestalteten ihn mit Sorgfalt. Heute ist er oft reduziert auf eine Öffnung in der Gebäudehülle.

Man sagt, der erste Eindruck zähle. Siedle-Produkte sind oft der erste Berührungspunkt eines Ankommenden mit seinem Ziel. Ist das nicht eine gewaltige Verantwortung?

Gabriele Siedle: Allerdings. Der erste Eindruck ist umso stärker, als er mit allen Sinnen wahrgenommen wird. Der Besucher spricht mit dem Haus, er hört es und wird von ihm betrachtet, und er berührt es, um Kontakt aufzunehmen – alles über Siedle-Systeme.

Eberhard Meurer: Deshalb denken wir nicht nur an Sprechanlagen, sondern an den ganzen Eingang. Unsere Systeme bringen alle Funktionen in eine einheitliche Gestaltung. Material, Formen, Farben – alles passt zusammen und spricht eine Sprache.

Ihr Ziel ist das perfekte System für jede Architektur. Drehen wir den Spieß mal um: Wie sähe die perfekte Architektur für die Siedle-Systeme aus?

Gabriele Siedle: Jede Architektur, die den Eingangsbereich bewusst gestaltet, ist gut für Siedle. Wir haben Probleme, wo der Eingang achtlos behandelt wird und allein der Preis zählt.

Eberhard Meurer: Siedle-Design arbeitet mit einer reduzierten Formensprache, die auf geometrischen Grundformen basiert. Deshalb ist es weitgehend neutral und harmoniert mit vielen Stilen. Wir machen keine Vorgaben, sondern unterstützen Vielfalt. Siedle gibt dem Anwender Systeme an die Hand, die er unendlich variieren kann. Anders als im handwerklichen Sonderbau hat er dabei die Sicherheit, immer ein ästhetisch einwandfreies, perfekt verarbeitetes Produkt zu erhalten.
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